Alfred Gislason nominiert den Kader für die Handball-EM. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Marius Becker/dpa)

Fabian Wiede? Verzichtet aus privaten Gründen. Juri Knorr? Will sich nicht impfen lassen. Paul Drux? Fühlt sich nach einer Verletzung noch nicht fit genug. Hendrik Pekeler? Nimmt eine längere Auszeit von der Nationalmannschaft. Patrick Groetzki? Wird erneut Papa.

Die vielen Absagen für die Handball-Europameisterschaft stellen Bundestrainer Alfred Gislason bei der Nominierung des Kaders an diesem Dienstag vor eine knifflige Aufgabe und haben eine Wertedebatte um die DHB-Auswahl ausgelöst.

Angesichts der oft angeführten privaten Gründe vermisst Axel Kromer, Sportvorstand im Deutschen Handballbund, bei den Spielern teilweise die nötige Begeisterung für die Nationalmannschaft. «Abwesenheiten von zu Hause werden nicht so geduldet wie bei anderen Nationen», sagte Kromer dem Pay-TV-Sender Sky. «Wir müssen die Familien mehr einbinden, damit die Spieler locker und entspannt zu Turnieren fahren können.»

Mit dieser Ansicht steht Kromer nicht allein da. «Es kann eigentlich nicht sein, dass bei einigen Leuten familiäre Gründe den Ausschlag dafür geben, dass sie nicht dabei sind. Solche Einstellungen gefallen mir nicht», kritisierte Ex-Bundestrainer Heiner Brand. «Ich muss erwarten, dass es für Jeden das unbedingte Ziel ist, in der Nationalmannschaft zu spielen.»

Kein Verständnis hat der 69-Jährige daher auch für Juri Knorr. Der Spielmacher von den Rhein-Neckar Löwen lehnt aus persönlichen Gründen eine Impfung gegen das Coronavirus ab und fehlt deshalb im Aufgebot für die Endrunde vom 13. bis 30. Januar in Ungarn und der Slowakei, wo nur geimpfte oder genesene Personen zugelassen sind. «Von einem Spieler, der vielleicht ein internationaler Star werden will, muss ich erwarten, dass er seine Chance mit allen Mitteln nutzt», sagte Sky-Experte Brand.

Ähnliche Töne waren unlängst bereits von Stefan Kretzschmar zu vernehmen. Auch der Ex-Nationalspieler und heutige Sportvorstand des Bundesligisten Füchse Berlin vermisst derzeit bei einigen deutschen Spielern die große Begeisterung für die Nationalmannschaft. «Es ist eine Einstellungssache, eine Frage der Mentalität», sagte der 48-Jährige dem «Mannheimer Morgen». Er wolle niemandem zu nahe treten und verstehe auch die Gründe für manch eine Absage, dennoch «habe ich manchmal schon das Gefühl, dass da manch einer eine Nationalmannschaftseinladung umgehend mit dem Thema Belastung assoziiert».

Bei anderen Nationen käme dies nicht vor. «An sowas würde Domagoj Duvnjak niemals denken. Der würde niemals den Kroaten absagen, weil ihm das gerade alles zu anstrengend ist», sagte Kretzschmar und nannte ein weiteres Beispiel: «Die Skandinavier treten nach einer Einladung die Reise zur Nationalmannschaft mit einem Lächeln und mit Freude an. Für diese Jungs gibt es nichts Größeres. Die fahren da hin.»

Bundestrainer Alfred Gislason muss dagegen wie schon bei der Weltmeisterschaft in Ägypten zu Jahresbeginn mehrere Spieler aus seinen Planungen streichen. Das schmerzt besonders, weil sich die DHB-Auswahl nach der verpassten Medaille bei den Olympischen Spielen derzeit in einem personellen Umbruch befindet. Langjährige Stützen wie Kapitän Uwe Gensheimer, Rückraumspieler Steffen Weinhold oder Torwart Johannes Bitter sind ohnehin nicht mehr dabei. Kromer ist dennoch zuversichtlich: «Wir werden einen Kader haben, auf den wir stolz sein können.»

Von Eric Dobias, dpa

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