Deutschlands Cheftrainer Alfred Gislason (2.v.r.) spricht mit den Spielern. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Marijan Murat/dpa)

Das Corona-Chaos bei den deutschen Handballern nervt Kapitän Johannes Golla mächtig.

Vor dem EM-Duell mit dem WM-Zweiten Schweden wurden Christoph Steinert und Sebastian Firnhaber positiv getestet – die Zahl der Corona-Fälle im DHB-Team hat sich damit auf 13 erhöht. «Wenn man wieder eine Nachricht bekommt, positive Fälle in der Mannschaft – das macht überhaupt keinen Spaß», sagte Golla.

Das Duo vom Bundesligisten HC Erlangen steht der deutschen Mannschaft damit in den ausstehenden Hauptrundenspielen gegen Schweden am Sonntag (18.00 Uhr/ARD) und Russland am kommenden Dienstag nicht zur Verfügung. Ob Bundestrainer Alfred Gislason im Duell mit den Skandinaviern überhaupt über einen kompletten 16er Kader verfügen kann, ist fraglich. Eine Nachnominierung gab es zunächst nicht.

Hoffen auf Rückkehrer

Der 62 Jahre alte Isländer hofft aber immer noch auf die Rückkehr des einen oder anderen infizierten Spielers ins Turnier. «Das wäre für mich wie Weihnachten», sagte Gislason am Freitagabend nach der 23:28-Pleite gegen Norwegen. Doch könnte ein seit Tagen isolierter Spieler der personell arg gebeutelten DHB-Auswahl überhaupt weiterhelfen? DHB-Sportvorstand Axel Kromer ist da skeptisch: «Die sitzen seit Tagen ohne sportliche Betätigung in einem kleinen Zimmer.»

Die neuen Fälle sind ein herber Rückschlag für das Team, in dem es zuvor vier durchweg negative Testreihen gegeben hatte. Die Hoffnung, dass die Infektionskette durchbrochen sein könnte, ist dahin. Die CT-Werte des am Freitagabend vorgenommenen PCR-Tests wiesen bei Steinert und Firnhaber jeweils auf eine geringe Infektiosität hin, teilte der Deutsche Handballbund mit.

Spieler am Limit

Ihr Ausfall trifft die DHB-Auswahl doppelt hart, denn die Spieler sind nicht nur mental, sondern auch körperlich am Limit. Die zwei Spiele innerhalb von 26 Stunden gegen Spanien und Norwegen haben auch bei Kraftpaket Golla deutliche Spuren hinterlassen. «Nach so einem Doppel-Spieltag geht es jedem Spieler erst einmal nicht gut. Da versucht man auf dem Zimmer erst einmal, die Knochen zu sortieren», berichtete der Kreisläufer vom deutschen Vizemeister SG Flensburg-Handewitt.

Golla nahm daher kein Blatt vor den Mund und äußerte deutliche Kritik am EM-Modus. «Das geht eigentlich gar nicht. Das ist für die Spieler, die extrem viel spielen, zu hart und vielleicht mitunter schon gefährlich. Dieser Modus tut keinem Sportler gut», sagte er. Der 24-Jährige empfindet die Belastung aber nicht nur bei der Endrunde in Ungarn und der Slowakei als zu hoch. «Ich will gerne die Turniere spielen und genieße auch jeden Auftritt mit der Nationalmannschaft, muss aber auch sagen, dass die vergangenen eineinhalb Jahre sehr extrem waren. Innerhalb von zwölf Monaten drei Großturniere ohne richtige Pause dazwischen – das ist zu viel», kritisierte Golla.

Große Herausforderung gegen Schweden

Und nun auch noch das Hammerduell mit Schweden, in dem die Gislason-Schützlinge aufgrund der angespannten Personalsituation erneut nur Außenseiter sind. «Das ist die nächste Probe auf internationalem Topniveau», sagte Golla. «Wir wollen die Schweden trotzdem ärgern, mutig in die Zweikämpfe gehen und versuchen, zwei Punkte zu holen.»

Effektiv vorbereiten konnte er sich mit seinen Teamkollegen auf die Herausforderung aber nicht. Dennoch versucht der neue Anführer des DHB-Teams, der im Vorjahr bei der WM in Ägypten sein erstes großes Turnier bestritt und nach dem eingeleiteten personellen Umbruch von Gislason kurz vor der EM zum Kapitän bestimmt worden war, positiv zu denken. «Es fällt überhaupt nicht schwer, die Jungs anzuführen. Das ist eine super Mannschaft, da läuft ziemlich viel von alleine», sagte Golla. «Aber es sind natürlich von außen Umstände dazugekommen, die so noch kein Kapitän durchmachen musste. Das sind viele Dinge, die nichts mit Handball zu tun haben.»

Die Kommunikation unter den Spielern läuft weitgehend nur noch über Social-Media-Kanäle. Da wird das Essen für die in Quarantäne sitzenden infizierten Teamkollegen organisiert, sich über die einzelnen Befindlichkeiten ausgetauscht und die Vorbereitung auf das jeweils nächste Spiel abgewickelt. «Daraus ist hier eine Stimmung im gesamten Team entstanden, die einfach Spaß bringt. Darauf können wir in Zukunft aufbauen», sagte Golla. An ein theoretisch immer noch mögliches Halbfinale denkt im DHB-Team derzeit niemand. Golla gab das Motto vor: «Wir wollen uns vernünftig aus dem Turnier verabschieden und in den kommenden Spielen als Mannschaft weiterentwickeln.»

Von Eric Dobias und Nils Bastek, dpa

Von