Der Frauen-Handball arbeitet die Vorwürfe gegen den ehemaligen BVB-Trainer auf. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Tom Weller/dpa)

Das Ausmaß der Vorwürfe gegen den früheren Bundesligatrainer André Fuhr sorgt kurz vor der Europameisterschaft für neuen Wirbel im Frauen-Handball. Mehr als 30 Personen haben sich inzwischen mit Berichten über die Trainingsmethoden des früheren Trainers von Borussia Dortmund an die Beratungsstelle «Anlauf gegen Gewalt» gewandt.

«Darunter waren Betroffene und Umstehende, die entsprechende Vorfälle beobachtet haben», teilte Athleten Deutschland auf dpa-Anfrage mit und forderte: ««Die erschreckenden Schilderungen der Betroffenen zeigen erneut, wie die starken Abhängigkeitsverhältnisse im Spitzensport einen fruchtbaren Nährboden für Machtmissbrauch und interpersonale Gewalt bilden können. Es muss jetzt sichergestellt werden, dass die Betroffenen die Unterstützung erfahren, die ihnen zusteht und die sie benötigen.»

Zunächst hatte der «Spiegel» berichtet, dass zahlreiche Spielerinnen psychisch unter der Trainingsarbeit von Fuhr gelitten hätten. Von der Anwältin des 51-Jährigen gab es auf dpa-Anfrage zunächst keine Stellungnahme zu den neuen Vorwürfen.

«Schlag» für den Frauen-Handball

Mit ihrer fristlosen Kündigung beim BVB hatten die Nationalspielerinnen Mia Zschocke und Amelie Berger den Fall Mitte September öffentlich gemacht. Der Verein trennte sich kurz darauf von Fuhr, wies aber darauf hin, dass dies «ausdrücklich nicht mit einer Vorverurteilung verbunden» sei. Fuhr hatte zudem seine Tätigkeit beim Deutschen Handballbund, für den er seit 2019 auf Honorarbasis tätig war, auf eigenen Wunsch beendet.

Bundestrainer Markus Gaugisch bezeichnete das Ausmaß der Vorwürfe gegen Fuhr als «Schlag» für den Frauen-Handball. Es sei «natürlich nicht schön, solche Dinge über die eigene Sportart zu lesen», sagte Gaugisch in einer Medienrunde.

Aus dem Kreis der Nationalmannschaft seien außer Zschocke und Berger keine weiteren Spielerinnen betroffen, berichtete der Bundestrainer. Man habe innerhalb der DHB-Auswahl, die sich derzeit in Großwallstadt auf die Europameisterschaft vom 4. bis 20. November vorbereitet, dennoch ausführlich über die Vorfälle gesprochen. «Wir haben Raum gegeben, über das Thema zu sprechen, weil wir uns davon nicht abschotten können», sagte der 48-Jährige.

Vom Ausmaß der Vorwürfe überrascht

Vom Ausmaß der Vorwürfe zeigte sich Gaugisch überrascht. «Mir waren systematische Dinge nicht bekannt», sagte er. In der Nationalmannschaft werde ein anderer Umgang gepflegt, betonte Gaugisch: «Wir wollen die Spielerinnen so gut wie möglich unterstützen, dass sie ihren Sport mit Freude ausüben können.»

Nationalmannschaftskapitänin Emily Bölk appellierte, die Vorfälle intensiv aufzuarbeiten. Es sei wichtig, für das Thema zu sensibilisieren, «dass es solche Probleme gibt». Nun seien die Vereine, die Liga und der Verband gefordert. «Das Wichtigste wird sein, dass die Betroffenen zu Wort kommen und ihre Wünsche für die Zukunft äußern können», sagte Bölk der Deutschen Presse-Agentur.

Am Vortag hatte der DHB in einer weiteren Stellungnahme mitgeteilt, dass die «in den vergangenen Tagen veröffentlichten Vorwürfe gegen den Handball-Trainer André Fuhr in keiner Weise im Einklang mit den Werten des Handballsports» stünden. «Der Deutsche Handballbund fühlt mit den betroffenen Spielerinnen und nimmt die Vorwürfe sehr ernst, hinterfragt das eigene Vorgehen kritisch und überprüft seine Prozesse», hieß es.

«Die Betroffenheit bei uns und unseren Mitgliedern ist natürlich groß», sagte der ehemalige Handball-Nationaltorhüter Andreas Thiel als Vorstandsvorsitzender der Handball Bundesliga Frauen. «Wir müssen und werden gemeinsam mit ihnen aktiv daran arbeiten, das Wohl der Spielerinnen bestmöglich und dauerhaft zu schützen.»

Eric Dobias, dpa

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