Alfred Gislason ließ sich trotz aller Glücksgefühle nicht zu einer WM-Prognose für die deutschen Handballer hinreißen.
Juri Knorr dagegen wagte sich nach dem bejubelten Einzug ins Viertelfinale zaghaft aus der Deckung. «Wir sind noch nicht am Ende unserer Reise. Wenn wir so weitermachen, glaube ich, kann es noch ein bisschen weitergehen. Aber wir müssen uns treu bleiben», sagte der Denker und Lenker des bisher so erfolgreichen deutschen Spiels vor dem sportlich bedeutungslosen Abschluss der Hauptrunde gegen Norwegen an diesem Montag (20.30 Uhr/ARD) in Kattowitz.
Im Viertelfinale wartet Frankreich oder Spanien
Der Bundestrainer blieb sich auch im Moment des gefeierten Erfolges treu. Er verspüre «Erleichterung und Freude», sagte Gislason nach dem souveränen 33:26 gegen die Niederlande zwar. Der Frage, wohin der Weg der DHB-Auswahl bei der Endrunde in Polen und Schweden noch führen könne, wich er aber geschickt aus. «Ich weiß ja noch gar nicht, gegen wen wir im Viertelfinale spielen», sagte der 63 Jahre alte Isländer.
Ob das DHB-Team im ersten K.o.-Spiel am kommenden Mittwoch in Danzig auf Olympiasieger und Rekord-Weltmeister Frankreich oder den EM-Zweiten Spanien trifft, entscheidet sich erst am Montagabend. Wer es letztlich wird, sei ihm «ganz egal», sagte Gislason. Schließlich seien beide Teams absolute Handball-Schwergewichte.
Sportvorstand Axel Kromer wollte den Jubel nicht bremsen, warnte aber: «Wir müssen anerkennen, dass der Einzug ins Viertelfinale, auf den wir stolz sind, nicht in die Geschichtsbücher eingehen wird», sagte der 46-Jährige am Sonntag. «Wir haben bislang eine sehr tolle WM gespielt mit souveränen Auftritten in den Spielen, in die wir bislang aber auch nicht als Außenseiter gegangen sind. Man muss auch sagen, dass wir bisher noch kein Team geschlagen haben, das als Medaillenkandidat galt.»
Die DHB-Auswahl begeistert die Fans
Doch schon jetzt lässt sich festhalten: Die deutsche Mannschaft hat sich bei dem Turnier in der erweiterten Weltspitze zurückgemeldet und viele Sympathien zurückgewonnen, die in den vergangenen Jahren verloren gegangen sind. Das Duell mit den Norwegern um ihren Superstar Sander Sagosen vom deutschen Rekordmeister THW Kiel wird nun ein erster Gradmesser, ob sie im Konzert der Großen schon wieder erfolgreich mitspielen kann.
«Das ist der bisher stärkste Gegner im Turnier. Wir können sicher viel lernen in dem Spiel», sagte Gislason. In erster Linie komme es aber darauf an, die richtige Balance zu finden. «Wir werden das Spiel natürlich genauso angehen wie alle Spiele bislang und wollen es gewinnen. Aber trotzdem werden wir natürlich auch versuchen, die Kräfte zu verteilen», kündigte der Bundestrainer an.
Das Motto seiner Schützlinge für die kommenden Aufgaben lautet: Respekt ja, Angst nein. «Wir können an einem guten Tag jeden schlagen, aber wir müssen schauen, dass wir die Euphorie behalten und weiter unsere Leistung bringen», sagte Kapitän Johannes Golla. Das Erreichen des Viertelfinales sei ein «Meilenstein».
Mit ihren erfrischenden WM-Auftritten hat die junge und unerfahrene Mannschaft auch bei den Fans eine große Euphorie ausgelöst. Mehr als sechs Millionen Zuschauer drückten beim Spiel gegen die Niederlande vor den TV-Geräten die Daumen, in der Spodek-Arena von Kattowitz sorgten rund 4000 deutsche Anhänger unter den 6250 Besuchern für Heimspiel-Atmosphäre. «Die Zuschauer haben uns wieder fantastisch unterstützt von der ersten bis zur letzten Minute und den Unterschied gemacht», sagte der überragende Torwart Andreas Wolff. «Es ist eine unglaubliche Unterstützung, die wir hier erfahren.»
Knorr gegen die Niederlande bester Werfer
Darauf baut die DHB-Auswahl auch in den kommenden Spielen. «Es macht unglaublich viel Spaß vor diesen Zuschauern. Diese Atmosphäre peitscht uns nach vorne», sagte Rückraumspieler Julian Köster. Und Knorr ergänzte: «Wir profitieren von der Euphorie und Energie in der Halle.»
Der 22-Jährige war gegen das Oranje-Team mit neun Toren bester Werfer. Der heißen WM-Phase sieht Knorr zuversichtlich entgegen. «Wir wissen, dass wir gegen Norwegen und egal welchen Gegner im Viertelfinale der Außenseiter sind. Aber wir haben einen gewissen Spirit und eine Chance», betonte der Regisseur des Bundesligisten Rhein-Neckar Löwen.
Auch Wolff, der 2016 mit der DHB-Auswahl in Polen sensationell Europameister geworden war, freut sich auf die anstehenden Duelle mit absoluten Weltklasse-Teams. «Dafür fährt man zu einer Weltmeisterschaft», sagte der 31-Jährige und richtete eine kleine Kampfansage an die Konkurrenz: «Wir zählen zu den besten acht Mannschaften der Welt. Das ist ein großer Erfolg. Ich hoffe, dass wir unseren Flow beibehalten können und die Reise noch nicht zu Ende geht.»