Die Spieler des SC Magdeburg feiern den Champions-League-Sieg. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Marius Becker/dpa)

Im Moment des sportlichen Triumphs der Magdeburger Handball-Helden zeigte Trainer Bennet Wiegert ganz viel Empathie und menschliche Größe.

Angesprochen auf den tragischen Tod eines polnischen Journalisten am Rande des dramatischen 30:29-Endspielsiegs nach Verlängerung gegen Industria Kielce verflog bei dem 41-Jährigen die Party-Stimmung nach dem Coup in der Champions League. «Man hat wieder gesehen, wie nahe Glück und Trauer beieinanderliegen. Es tut mir unheimlich leid, das ist einfach scheiße», sagte Wiegert voller Mitgefühl.

Medizinischer Notfall während der Partie

Beinahe wäre es für den SC Magdeburg gar nicht zum zweiten Titelgewinn in der Königsklasse nach 2002 gekommen, denn wegen des medizinischen Notfalls mit Todesfolge 12:20 Minuten vor dem Ende der regulären Spielzeit hätte Wiegert auch einen Abbruch der Partie in Kauf genommen. Er habe dies seinem Trainerkollegen Talant Dujshebaev während der 13-minütigen Unterbrechung beim Stand von 20:22 sogar angeboten. «Ich bin zu ihm gegangen und habe gesagt: Lass‘ uns das Spiel beenden. Wir nehmen das Ergebnis und ihr seid Champions-League-Sieger, denn es gibt wichtigere Dinge im Leben», berichtete Wiegert. 

Doch dazu kam es nicht – und so jubelten am Ende die Magdeburger um Rückraumstar Gisli Kristjansson. Dessen Blitz-Comeback nach einer am Vortag im Halbfinale gegen Rekordsieger FC Barcelona erlittenen Schulterverletzung stand exemplarisch für die Mentalität des gesamten Teams, das den Triumph schon auf der Heimfahrt ausgiebig begoss und am frühen Montagabend zur großen Sause auf dem Rathausbalkon in Magdeburg erwartet wurde.

«Es wird noch Wochen oder gar Monate dauern, alles zu realisieren, was an diesem Wochenende in Köln passiert ist. Ich werde das nie in meinem Leben vergessen, das weiß ich. Ich kann den Charakter der Mannschaft nicht hoch genug loben», sagte Wiegert am Sonntagabend vor der Abfahrt mit dem Siegerpokal mit Gepäck.

Magdeburg in Ausnahmezustand

In der Arena wurden die Spieler noch lange nach dem Abpfiff von tausenden mitgereisten Fans gefeiert – und auch in der sachsen-anhaltinischen Landeshauptstadt war der Jubel beim Public Viewing groß. «Ich kann mir nur im Ansatz vorstellen, was in den nächsten Tagen in Magdeburg los sein wird», sagte Bundestrainer Alfred Gislason, der den SCM 2002 zum ersten Triumph in der Champions League geführt hatte. Der deutsche Vizemeister sei derzeit «die effektivste Mannschaft der Welt» und habe «zu Recht den Titel gewonnen», würdigte Gislason die Leistung. 

Die begeisterte auch Wiegert, der schon vor 21 Jahren als Spieler dabei war. «Hier sind Helden geboren worden, die Vereinsgeschichte geschrieben haben. Diese Mannschaft ist einfach fantastisch», lobte der 41-Jährige. 

Kristjansson: «Egal für wie lange»

Allen voran der zum wertvollsten Spieler der Champions-League-Saison gekürte Kristjansson, der nun wohl für längere Zeit ausfallen wird. «Als es passiert war, habe ich gedacht, dass ich bis Januar kein Handball mehr spielen werde. Aber der Wille in mir war so stark. Ich wollte einfach dabei sein und der Mannschaft helfen, egal für wie lange», erzählte der 23 Jahre alte Rückraumspieler nach dem Finale und fügte schmunzelnd hinzu: «Isländer geben niemals auf. Das ist einfach unsere Mentalität.»

Der Auftritt des isländischen Nationalspielers ließ Wiegert emotional werden. «Ich freue mich so sehr für ihn, denn ich weiß, welch anstrengende Zeit jetzt vor ihm liegt», sagte er und fügte hinzu: «Hätten wir das Spiel verloren, dann hätte ich für ganz lange Zeit getrauert, einen so guten Spieler für ganz lange Zeit zu verlieren. Mit dem Pokal tut es ihm nicht so weh.»

Kristjansson bestätigte die Annahme seines Trainers. «Die Schulter tut höllisch weh, aber das war es wert», berichtete der Rückraumstar nach dem Abpfiff und schilderte zum Abschied seine Gefühlslage: «Einfach Wahnsinn. Solche Emotionen habe ich noch nie erlebt. Das ist einer der schönsten Momente in meinem Leben.»

Von Eric Dobias, dpa

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