Die Zeit der Zurückhaltung ist vorbei. Mit großer Zuversicht und viel Selbstvertrauen machen sich Deutschlands Handballerinnen auf den Weg zur Weltmeisterschaft, wo sich das Team von Bundestrainer Markus Gaugisch den Traum von der ersten WM-Medaille seit 16 Jahren erfüllen möchte.
«Wir wollen den Bock endlich umstoßen und uns mit einer guten Performance die Chance eröffnen, den nächsten Schritt zu gehen und möglichst weit zu kommen. Natürlich gibt es Teams, die sind uns einen Schritt voraus. Aber irgendwann sind wir dran», sagte Gaugisch der Deutschen Presse-Agentur. Und Linksaußen Antje Döll verkündete optimistisch: «Unsere Mannschaft ist so stark wie nie.»
Am Mittwochmorgen geht es nach dem Frühstück mit dem Bus vom schwedischen Lund, wo die DHB-Auswahl ihre finale Turniervorbereitung absolviert hat, nach Dänemark ins WM-Quartier in Silkeborg. Am Donnerstag steht dann in Herning, wo die deutsche Mannschaft alle ihre Endrundenspiele bestreitet, der WM-Auftakt gegen Japan an.
Zwischenziel Viertelfinale
Die weiteren Gruppengegner sind Iran und Polen. «Wir wollen in der Vorrunde alle Punkte mitnehmen», formulierte Gaugisch das erste Turnier-Etappenziel. In der Hauptrunde warten dann höchstwahrscheinlich Dänemark, Rumänien und Serbien. «Das Viertelfinale ist machbar», sagte Gaugisch mit Blick auf das Tableau.
Begleitet wird die Mannschaft von großen Hoffnungen der Verbandsspitze. «Bei der Heim-WM 2017 waren wir 13. – jetzt stehen wir stabil zwischen Platz fünf und acht. Wir müssen nur irgendwann einmal bei einem großen Turnier den Sprung ins Halbfinale schaffen – und
noch viel wichtiger – den Sprung zu den Olympischen Spielen. Das ist das große Ziel», gab DHB-Präsident Andreas Michelmann dem Team mit auf den Weg.
Um ganz sicher einen Platz bei einem der drei Olympia-Qualifikationsturniere im Frühjahr 2024 zu ergattern, muss die DHB-Auswahl mindestens das Viertelfinale erreichen. Doch Gaugisch und seine Schützlinge wollen mehr. «Das erste WM-Ziel ist eine Platzierung, die zur Teilnahme an der Olympia-Qualifikation berechtigt. Aber ich werde nie zu einem Turnier fahren und sagen, ich will nicht ganz vorn reinkommen», bekräftigte der Bundestrainer den hohen Anspruch.
Den hat auch die Mannschaft längst verinnerlicht. «Ich habe das Gefühl, alle Spielerinnen sind selbstbewusster geworden. Wir haben uns in der Vergangenheit oft kleiner geredet, als wir sind. Ich denke, wir sind bereit, den nächsten Schritt zu machen», sagte Torfrau Katharina Filter.
Internationale Erfahrung
Die 24-Jährige ist eine von insgesamt sechs Spielerinnen, die derzeit im Ausland spielen oder früher gespielt haben. Das ist ein wichtiger Faktor bei der Jagd nach Edelmetall, zumal auch die Mehrheit der in der Bundesliga beschäftigten WM-Fahrerinnen mit ihren Vereinen mittlerweile regelmäßig in der Champions League oder European League spielen.
«Ich hoffe, dass wir immer stärker von der Erfahrung profitieren, die wir seit einigen Jahren gesammelt haben», sagte Co-Kapitänin Emily Bölk. Die Rückraumspielerin vom ungarischen Topclub Ferencvaros Budapest, deren Mutter Andrea 1993 beim bisher einzigen deutschen WM-Triumph dabei war, gehört trotz ihrer erst 25 Jahre zu den routinierten Stützen im DHB-Team. «Ich sehe mich als Führungsspielerin, aber Last auf meinen Schultern spüre ich nicht», sagte Bölk zu ihrer Rolle.
Auch sie fiebert den WM-Tagen zuversichtlich entgegen. «Ich habe das Gefühl, dass wir uns enorm weiterentwickelt haben. Wir sind im Angriff und in der Abwehr wesentlich variabler geworden», sagte Bölk. Doch auch sie weiß: «Um bei solch einem Turnier mit den Top-Nationen mithalten zu können, braucht man einen qualitativ hochwertigen Kader, in dem alle Spielerinnen gesund bleiben. Und natürlich auch etwas Glück.»
Favoriten sind andere – allen voran Titelverteidiger und Europameister Norwegen, Olympiasieger Frankreich und der EM-Zweite Dänemark. Der Vorfreude im deutschen Team tut das aber keinen Abbruch. «Die Stimmung ist super, alle sind gut drauf», berichtete Filter. Nicht nur deshalb steht für DHB-Boss Michelmann fest: «Wir haben gute Voraussetzungen, um aus dem aktuellen Kader das Maximum herauszuholen.»