Markus Baur weiß nach seinen eigenen Erfolgen als Spieler ziemlich gut, was auf Frisch Auf Göppingen in der European League zukommt.
«Das ist eine Riesenherausforderung», sagt der Trainer des Handball-Bundesligisten vor dem Final Four am Wochenende in Flensburg. «Aber wir gehen da guten Mutes hin.» Frisch Auf, das im Halbfinale am Samstag (18.00 Uhr/DAZN) auf BM Granollers aus Spanien trifft, sei nicht der Favorit auf den Titel, meint Baur. «Aber genau das wollen wir nutzen.»
Für die Göppinger bietet das Turnier in der Campushalle die Gelegenheit, mit dem ersten europäischen Titel seit sechs Jahren die in der Bundesliga einigermaßen verkorkste Saison doch noch erfolgreich zu beenden. Im deutschen Handball-Oberhaus liegen die Schwaben vier Spiele vor dem Saisonende nur auf Tabellenplatz 14.
Bauer soll Göppingen einen Schub geben
Die sportliche Talfahrt, die sich schon früh in dieser Spielzeit abzeichnete, ist auch der Grund, warum Baur überhaupt in Göppingen Ende November eingestiegen ist. Denn als Frisch Auf in der Bundesliga nach Rang fünf im Vorjahr plötzlich in Abstiegsgefahr geriet, trennte sich der Traditionsverein von Coach Hartmut Mayerhoffer und verpflichtete Baur.
Für den 52-Jährigen ist es die Chance, nicht nur seinem Arbeitgeber, sondern auch seiner Trainer-Laufbahn wieder einen Schub zu geben. Zwar führte er die Kadetten Schaffhausen 2014 und 2015 jeweils zur Schweizer Meisterschaft und holte 2014 mit dem Team auch den Pokal. Doch das nachfolgende Engagement beim TVB Stuttgart endete schon nach gut eineinhalb Jahren. Im Februar 2018 wurde Baur beurlaubt, als der Club in akuter Abstiegsgefahr war.
Als Spieler war der zweimalige «Handballer des Jahres» dagegen unter anderem Weltmeister (2007), Europameister, Olympia-Zweiter (beides 2004) und mit dem TBV Lemgo deutscher Meister (2003) sowie EHF-Pokalsieger (2006). An diese Erfolge als Trainer anzuknüpfen, dürfte schwer werden. Dennoch sei es «eine einfache Entscheidung» gewesen, die Aufgabe in Göppingen zu übernehmen, erklärt Baur. Denn es war eben der Verein Frisch Auf, mit dem er schon als Kind groß geworden sei. «Ich hätte sicher nicht überall zugesagt.»
Dabei hatte er sich nach dem Rauswurf in Stuttgart zwischenzeitlich vom Trainer-Dasein verabschiedet und mehrere Jahre als Leiter Sport und Ernährung bei einem Dienstleistungsunternehmen in der Gesundheitsbranche gearbeitet. Manchmal schreibe das Leben halt «neue Kapitel», sagt er dazu nur.
Fehlende Konstanz
Doch auch mit Baur fehlt den Göppingern vorerst die Konstanz. Die Verantwortlichen rätseln weiter, warum es zwischen den Leistungen der Mannschaft in der European League, dem zweithöchsten europäischen Wettbewerb, und in der Bundesliga so «ein extremes Gefälle» gibt, wie Geschäftsführer Gerd Hofele sagt.
Ein Erklärungsansatz könnte sein, dass in der Bundesliga wegen der Doppelbelastung etwas die «Körner» fehlten, die Mannschaft im Europapokal jedoch von Erfolg zu Erfolg mehr Selbstvertrauen aufgebaut habe, meint der Manager. «Es passiert vieles im Kopf.» In Göppingen mit seiner großen Historie vielleicht sowieso. Viermal gewann Frisch Auf zwischen 2011 und 2017 den EHF-Pokal, den Vorgänger-Wettbewerb der European League. 1960 und 1962 triumphierte der Verein zudem im Europapokal der Landesmeister.
Sollte das Team um Nationalspieler Marcel Schiller und Kapitän Tim Kneule Halbfinal-Gegner Granollers, der laut Hofele mit einigen «sehr jungen Topspielern» besetzt und in der Abwehr wie andere spanischen Mannschaften sehr variabel ist, besiegen, würde es im Finale am Sonntag (18.00 Uhr/DAZN) gegen den Gewinner des zweiten Vorschlussrunden-Duells zwischen Montpellier HB aus Frankreich und den Füchsen Berlin gehen.
Der Frisch-Auf-Kader habe «viel mehr Potenzial», als es die Spieler in der Bundesliga gezeigt hätten, meint Hofele. Er hofft, dass Baur den Verein in den kommenden Jahren wieder in Richtung oberes Tabellendrittel führen wird – und am Wochenende zum Europapokal-Sieg. Dann wäre Frisch Auf in der nächsten Saison auch automatisch wieder für die European League qualifiziert.