Entkräftet und enttäuscht starrten die deutschen Handballer ins Leere. Während die Schweden euphorisch Bronze feierten, endete die Heim-Europameisterschaft für die Auswahl von Bundestrainer Alfred Gislason am Sonntag mit dem undankbaren vierten Platz.
«Wir sind stolz, dass wir das Halbfinale erreicht haben. Aber heute überwiegt die Enttäuschung», sagte Kapitän Johannes Golla.
Durch das 31:34 (12:18) vor 19 750 Zuschauern in Köln, darunter Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, verpasste die Nationalmannschaft zudem das direkte Ticket für die Olympischen Spiele im Sommer in Frankreich. Wie zuletzt bei der Heim-WM 2019 reichte es knapp nicht zu Bronze. «Wir sind einen Schritt nach vorne gekommen. Wir sind jetzt Vierter geworden, aber davon können wir uns auch nicht viel kaufen», sagte Spielmacher Juri Knorr.
Gislason: «Es war trotzdem ein gutes Turnier»
Gislason zog dennoch eine positive Bilanz. «Wir haben unser Ziel leider nicht erreicht, aber es war trotzdem ein gutes Turnier. Die Mannschaft hat sich näher an die Top-Teams herangearbeitet», stellte der 64 Jahre alte Isländer fest.
Acht Jahre nach dem EM-Triumph in Polen klopfte die DHB-Auswahl, für die U21-Weltmeister Renars Uscins gegen Schweden mit acht Toren bester Werfer war, zwar leise in der Weltspitze an. Doch im Vergleich mit Weltmeister Dänemark und Olympiasieger Frankreich, die im Anschluss um EM-Gold spielten, sowie den Schweden fehlt dem jungen Team noch ein Stück.
«Die Moral gegen die Top-Teams kann ich uns nicht absprechen, aber es fehlt einfach ein bisschen Qualität», räumte Knorr ein. Auch die aufmunternden Worte von Steinmeier und der tosende Applaus der Fans bei einer abschließenden Ehrenrunde konnten die deutschen Spieler nicht trösten.
Olympia-Qualifikation im März
Durch die Niederlage wartet auch Gislason, der das Amt im Februar 2020 von Christian Prokop übernommen hatte, weiter auf seinen ersten großen Erfolg. Deshalb hofft er auf eine Verlängerung seines im Sommer auslaufenden Vertrages. «Ich habe signalisiert, dass ich das gerne weiter machen möchte. Natürlich macht mir das richtig Spaß, aber letztlich entscheide ich das nicht», sagte Gislason.
DHB-Sportvorstand Axel Kromer bekräftigte: «Wir werden mit Alfred nach der EM hundertprozentig in die Gespräche gehen.» Möglicherweise fällt die Entscheidung über eine weitere Zusammenarbeit mit dem Bundestrainer auf der Präsidiumssitzung des Verbandes im Februar.
Gislasons Vertrag umfasst noch die Olympischen Spiele in Paris, für die sich die DHB-Auswahl allerdings erst qualifizieren muss. Dafür muss mindestens der zweite Platz bei einem Vierer-Turnier Mitte März mit Kroatien, Österreich und Algerien her. Sollte die DHB-Auswahl scheitern, würde sein Vertrag sofort enden.
EM-Bronze wäre ein starkes Argument für ihn gewesen. Doch euphorische Jubel-Stimmung herrschte auf den Rängen nur vor dem Anpfiff, als Torwart Andreas Wolff und Spielmacher Knorr für ihre Wahl ins All-Star-Team des Turniers geehrt wurden. Gislason war da schon längst im Tunnel. «Wir müssen die Lehren aus dem Dänemark-Spiel ziehen und zwei solide Halbzeiten bieten», forderte er.
Doch das gelang der deutschen Mannschaft nicht. Vor allem bei Knorr schien das 26:29 im Halbfinale gegen Dänemark immer noch im Kopf herumzuspuken. Der 23-Jährige vom Pokalsieger Rhein-Neckar Löwen konnte dem Angriffsspiel keine Impulse geben und leistete sich in den ersten 15 Minuten vier Fehlwürfe. «Er wollte zu schnell zu viel», befand Gislason. Mitte der ersten Halbzeit holte der Bundestrainer den Spielmacher beim Stand von 4:8 vom Parkett.
Kurz darauf verstummten die Fans, als es auf den Zuschauerrängen zu einem medizinischen Notfall kam. Die Partie wurde für mehrere Minuten unterbrochen, während die Ärzte beider Teams die betroffene Person versorgten.
Überragender Schweden-Keeper
Als es weiterging, stellte Gislason im Rückraum weiter um. Sebastian Heymann und Kai Häfner, der gegen Dänemark aus privaten Gründen gefehlt hatte, kamen nun ebenfalls zum Zug. Doch im Angriff lief weiter wenig zusammen. Zudem scheiterten die deutschen Spieler immer wieder an Schwedens überragendem Torwart Andreas Palicka, der einst beim THW Kiel und den Rhein-Neckar Löwen viele Jahre in der Bundesliga spielte.
Der 37-Jährige parierte insgesamt 19 Würfe, allein 14 in der ersten Halbzeit. Damit hatte er entscheidenden Anteil daran, dass die DHB-Auswahl das Spiel beim 7:14 nach 22 Minuten schon frühzeitig aus der Hand gegeben hatte. Edelfan Steinmeier gab sich zur Halbzeit dennoch optimistisch. «Ich hoffe, dass die deutsche Mannschaft das Spiel noch dreht», sagte er in der ARD.
Doch sein Wunsch erfüllte sich nicht, auch wenn das DHB-Team mit Schwung aus der Kabine kam. Immer wieder bremste sich die deutsche Mannschaft zunächst durch eigene Fehler selbst aus, was Gislason an der Seitenlinie zur Verzweiflung trieb.
Doch dann rafften sich seine Schützlinge noch einmal auf. Beim 21:24 (43.) schien die Wende möglich. Wolff wurde im Tor immer stärker und vorn zündete endlich auch Knorr. Das Publikum pushte die Mannschaft zusätzlich. Gut sechs Minuten vor Schluss war Deutschland beim 29:30 dran. Trotz großen Kampfes reichte es aber nicht mehr zum Sieg. Dennoch lobte Gislason: «Die Jungs haben sich super geschlagen. Ich bin stolz auf die Mannschaft.»