Frankreichs Handballer sanken auf das Parkett und schlugen ungläubig die Hände vor das Gesicht. Dann schnappten sich die neuen Europameister um Star-Spieler Nikola Karabatic Fahnen aus ihrem Fanblock und starteten ihre EM-Party. Von der Tribüne hallte es noch «Allez les Bleus», da gönnten sich einige Spieler in der Kabine schon ihr erstes Kölsch.
Europas Handball-Könige kommen erstmals seit zehn Jahren wieder aus Frankreich. Der Olympiasieger setzte sich nach einer Nervenschlacht im EM-Finale am Sonntag gegen Weltmeister Dänemark mit 33:31 (27:27, 14:14) nach Verlängerung durch und machte den vierten Triumph bei dem Kontinentalwettbewerb nach 2006, 2010 und 2014 perfekt.
«Es ist zehn Jahre her, dass wir den Titel holen konnten. Wir haben die Dinge zurechtgerückt. Jeder in diesem Team hat seine Rolle gefunden. Es macht unheimlich viel Spaß, mit den Jungs zusammenzuspielen», sagte Frankreichs langjähriger Bundesliga-Profi Kentin Mahé in der ARD.
Karabatic erweitert Titel-Sammlung
Bronze ging vor 19 750 Zuschauern in Köln an Titelverteidiger Schweden, der beim 34:31 die deutschen Träume vom ersten Edelmetall bei einem großen Turnier seit Olympia-Bronze 2016 beendete. Bester Werfer für die Équipe Tricolore, die nun auch im Sommer Top-Favorit auf die Goldmedaille bei den Olympischen Spielen im eigenen Land ist, war Ludovic Fabregas mit acht Treffern. Bei den Skandinaviern, die gegen Deutschland im Halbfinale gewonnen hatten, war Mikkel Hansen mit neun Toren am erfolgreichsten.
Frankreich, das in der Vorrunde die DHB-Auswahl geschlagen hatte, blieb als einziges Team im gesamten Turnierverlauf ungeschlagen. Für den dreimaligen Welthandballer Karabatic ist der Erfolg ein krönender Abschuss auf europäischer Bühne. Der 39-Jährige, der im Sommer seine Karriere beenden wird, feierte seinen vierten EM-Titel. Dreimal Olympia-Gold und vier WM-Triumphe komplettieren seine Trophäen-Sammlung. «Ich kann es noch nicht glauben, dass wir Gold geholt haben. Jetzt will ich richtig feiern», kündigte Karabatic an.
Dänen-Keeper Nielsen brilliert
Beide Mannschaften nahmen den Kampf um die Goldmedaille von Beginn an voll an und demonstrierten mit sehenswerten Einzelaktionen eindrucksvoll, dass sie sich den Platz im Finale verdient hatten. Die Franzosen wirkten wacher und nutzten die technischen Fehler der Nordeuropäer, um auf 6:4 davonzuziehen.
Dass das Nationalteam von Erfolgstrainer Guillaume Gille seine Führung nicht noch weiter ausbauen konnte, lag an Dänemarks Lebensversicherung Emil Nielsen. Der 26-Jährige, an dem auch schon die DHB-Profis im Halbfinale verzweifelt waren, parierte allein in der Anfangsviertelstunde 7 von 13 Würfen des Gegners.
Bittere Quote für Bellahcene
Angestachelt von der Leistung ihres Keepers und den Anfeuerungen der überwiegend skandinavischen Fans steigerten sich die Dänen im Angriff – und zogen auf 9:6 davon. Im Gegensatz zu Nielsen erwischte Frankreichs Torhüter Samir Bellahcene von Rekordmeister THW Kiel einen katastrophalen Start und hielt in den ersten 17 Minuten keinen Wurf.
In der Folge entwickelte sich auf dem Parkett ein dynamisches und hoch spannendes Spiel, in dem sich kein Team vor der Halbzeit entscheidend absetzen konnte. Das Momentum wechselte fast minütlich und vieles deutete auf eine Verlängerung hin.
Gidsel ist überall
Die Mannschaft von Trainer Nikolaj Jacobsen erwischte den deutlich besseren Start in die zweiten 30 Minuten und agierte im Angriff nun deutlich variabler. Immer wieder suchten die Dänen Zielspieler Gidsel, der gefühlt auf jeder Position herumwuselte und sein Team mit 17:14 in Führung brachte. Hinten hielt Nielsen im Tor weiter stark.
Doch Frankreich kam wieder zurück. Beide Teams führten das Duell weiter äußerst intensiv und der Kampf um die Goldmedaille blieb bis zum Schluss offen. In der Verlängerung hatten die Franzosen die besseren Nerven und sicherten sich die europäische Krone.