Mit dem unerwartet klaren 33:28-Sieg im Finale gegen den FC Barcelona krönten sich die Kieler in Köln zum vierten Mal nach 2007, 2010 und 2012 zu Europas bester Vereinsmannschaft. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Marius Becker/dpa)

Hoch über den Wolken ging es an Bord des Charterfliegers auf dem nächtlichen Heimflug feucht-fröhlich zu – auf eine zünftige Siegerparty mussten die Handball-Helden des THW Kiel nach dem vierten Triumph in der Champions League wegen der strengen Corona-Regeln aber verzichten.

Gleich nach der Landung auf dem Flughafen der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt am Mittwochmorgen gegen 2.40 Uhr, wo Europas beste Vereinsmannschaft von der Kieler Feuerwehr mit Blaulicht und Martinshorn empfangen wurde, verstreuten sich die ebenso glücklichen wie müden Spieler des deutschen Rekordmeisters in alle Winde.

Norwegens Superstar Sander Sagosen schnappte sich die letztmals vergebene Trophäe, den Arm mit dem goldenen Ball, und nahm sie mit nach Hause ins Bett. Am Morgen postete der 25-Jährige auf Instagram ein entsprechendes Foto und schrieb dazu: «Hallo, du». Bereits zuvor hatte Sagosen, der sieben Tore zum unerwartet klaren 33:28-Endspielsieg gegen den FC Barcelona beigetragen hatte, bekannt: «Von dieser Goldmedaille habe ich schon geträumt, als ich fünf Jahre alt war.»

Auch ohne große Sause nehmen die Schützlinge von Trainer Filip Jicha das Gefühl, etwas Großes geleistet zu haben, mit ins neue Jahr. «Wir haben Geschichte geschrieben», sagte Jicha. «Ich bin sehr stolz auf meine Spieler und der glücklichste Trainer der Welt.»

Der Kieler Erfolg tut dem gesamten deutschen Handball gut, der seit dem Triumph der SG Flensburg-Handewitt 2014 darauf gewartet hat. «Wir haben uns alle total gefreut. Die Glückwünsche kommen aus der ganzen Liga», sagte Frank Bohmann, Geschäftsführer der Handball-Bundesliga, der Deutschen Presse-Agentur und fügte mit Blick auf die Corona-Krise hinzu: «Das hilft, dass endlich wieder über den Sport geschrieben wird und nicht über Hygienevorschriften.»

Zum vierten Mal nach 2007, 2010 und 2012 sitzt der THW nun auf Europas Handball-Thron. «Das ist unglaublich», sagte Jicha. Der 38-Jährige war schon bei den letzten beiden Triumphen unter dem heutigen Bundestrainer Alfred Gislason als Spieler dabei und lieferte nun sein Meisterstück als Coach ab. «Filip hat uns zwei Mal taktisch top vorbereitet», lobte Rückraumspieler Steffen Weinhold.

Auch Weltmeister-Trainer Heiner Brand würdigte die gute Arbeit des Tschechen, der im Sommer 2019 in die großen Fußstapfen von Gislason getreten war. «Ich habe große Hoffnungen in Filip Jicha gesetzt, der ein überragender Spieler war und einen sehr guten Charakter hat. Was sie im Final4 geleistet haben, war außergewöhnlich, und eine solche Leistung bringt man auch nur, wenn das Verhältnis zwischen Mannschaft und Trainer stimmt», sagte Brand dem Pay-TV-Sender Sky.

Gegen den spanischen Serienmeister gingen die Kieler im letzten Spiel des Jahres noch einmal an ihre Grenzen – und teilweise darüber hinaus. «Wir haben so viel geackert. Jeder hat alles gegeben», lobte Kreisläufer Patrick Wiencek. Und Weinhold stellte fest: «Wir haben extrem viel Arbeit und Kampf reingesteckt.»

Garniert wurde der Triumph durch zwei weitere Auszeichnungen: Rechtsaußen Niclas Ekberg, der im Endspiel mit acht Treffern bester THW-Werfer war, wurde Torschützenkönig der Champions-League-Saison 2019/20 und Kreisläufer Hendrik Pekeler als wertvollster Spieler des wegen der Corona-Krise mit siebenmonatiger Verspätung ausgetragenen Final-Turniers geehrt. «Er ist für mich seit Jahren schon ein MVP», scherzte Weinhold, «mit seiner Größe und seiner Physis, vor allem aber seiner Cleverness – und das alles hat er hinten wie vorne in beiden Spielen perfekt gezeigt.»

Umso schmerzhafter ist es, dass Pekeler wie Wiencek und Weinhold aus familiären Gründen für die WM in Ägypten abgesagt hat. Während sich der Norweger Sagosen, Dänemarks im Finale überragender Weltmeister-Torwart Niklas Landin oder Kroatiens Star Domagoj Duvnjak ab sofort auf die Endrunde vom 13. bis 31. Januar vorbereiten, wird das deutsche Trio die WM auf dem heimischen Sofa vor dem Fernseher verfolgen. «Ich drücke alle Daumen», sagte Weinhold. «Aber ich bin echt froh über ein paar Tage ohne Handball.»

Von Eric Dobias, dpa

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