Bundestrainer Alfred Gislason saß mit versteinerter Miene auf seinem Stuhl und konnte sich zunächst nicht so recht über den Einzug der deutschen Handballer ins EM-Halbfinale freuen.
Bei der ernüchternden 24:30 (14:13)-Pleite gegen Kroatien zum Abschluss der Hauptrunde verpassten es seine Schützlinge, sich weiteres Selbstvertrauen für den Halbfinal-Kracher gegen Dänemark zu holen. Einziger Lichtblick: Trotz der Niederlage darf die DHB-Auswahl weiter auf ein Wintermärchen und eine Medaille hoffen. Das andere Vorschlussrundenspiel bestreiten am Freitag Olympiasieger Frankreich und Titelverteidiger Schweden.
«Die Niederlage ist nicht schön, wir wollten das Spiel gewinnen», sagte Bundestrainer Alfred Gislason schmallippig in der ARD. Sein Team habe unglaublich viele klare Chancen vergeben, kritisierte der Isländer. «Das ist für mich ein Zeichen fehlender Konzentration», monierte Gislason. Insbesondere die zweite Reihe habe nicht die Erwartungen erfüllt, auch wenn man die Last auf die ganze Mannschaft verteilen wollte, weil die Top-Sechs fit sein sollte fürs Halbfinale. Letztlich nahm Gislason die Niederlagen aber auch gelassen. «Das Spiel hat gar keine Auswirkungen auf das andere. Mir ist es, ehrlich gesagt, lieber so als hätte ich mit der ersten Sechs durchgespielt und ein Unentschieden geholt», sagte der 64-Jährige.
«Wir müssen uns auf die Dänen konzentrieren»
«24 Fehlwürfe ist natürlich zu viel», befand auch Torhüter Andreas Wolff. Letztlich sei ihm die Niederlage aufgrund des bevorstehenden Halbfinals gegen Dänemark aber egal. «Wir müssen uns auf die Dänen konzentrieren, das ist das nächste Spiel, das zählt», sagte der Schlussmann. Nach der zuvor festgestandenen Halbfinal-Teilnahme sei der Kopf schon bei den Dänen gewesen. «Ich denke, dass es in zwei Tagen ganz anders aussehen wird», meinte Wolff.
Vor 19.750 Fans in der erneut ausverkauften Kölner Lanxess Arena waren Sebastian Heymann und Johannes Golla mit je vier Toren beste Werfer für die DHB-Auswahl, die letztmals vor fünf Jahren bei der Heim-WM im Halbfinale eines großen Turniers stand. Damals ging die deutsche Mannschaft, die sich durch den Teilerfolg das Ticket für die WM 2025 sicherte, als Vierter leer aus.
Dieses Mal soll endlich das erste Edelmetall seit 2016 her, als Deutschland EM-Gold und Olympia-Bronze gewann. «Dänemark ist eine überragende Mannschaft, aber die werden sich trotzdem ihren Druck machen. Mit diesem tollen Publikum im Rücken ist alles möglich», sagte DHB-Sportvorstand Axel Kromer in der ARD.
Großer Applaus schon beim Warmmachen
Vom EM-Triumph vor acht Jahren sind noch Torwart Andreas Wolff, Linksaußen Rune Dahmke, Rückraumspieler Kai Häfner und Kreisläufer Jannik Kohlbacher dabei. «Der erste Haken ist dran, aber sie wollen nach den Sternen greifen», sagte Ex-Nationalspieler Dominik Klein zu den Ambitionen des DHB-Teams.
Schon beim Warmmachen wurden die Schützlinge von Bundestrainer Alfred Gislason, mit dem der Deutsche Handballbund den im Sommer auslaufenden Vertrag nach der EM möglichst schnell verlängern möchte, von den Fans euphorisch für das Erreichen des ersten großen EM-Etappenziels gefeiert.
Möglich wurde dies durch die Patzer der Konkurrenz. Zunächst musste sich Österreich gegen Island mit 24:26 geschlagen geben, danach unterlag Ungarn dem Rekord-Weltmeister Frankreich mit 32:35. Dennoch kündigte Gislason an: «Wir wollen unsere Spielweise und unseren Rhythmus beibehalten.»
Gislason bringt zu Beginn seine stärkste Formation
Entsprechend schickte der 64 Jahre alte Isländer zu Beginn seine stärkste Formation auf das Parkett. Und die sorgte auch gleich für gute Stimmung auf den Rängen. Zwischen den Pfosten war Wolff gleich auf Betriebstemperatur. Der Routinier parierte in der Anfangsphase fünf Würfe der Kroaten, was der DHB-Auswahl eine schnelle 5:3-Führung ermöglichte.
Doch dann schlichen sich Unkonzentrierten beim Abschluss ein. Mitte der ersten Halbzeit lag der EM-Gastgeber nach sieben Minuten ohne eigenen Treffer mit 6:8 hinten. Gislason brachte kurz darauf dennoch die zweite Rückraum-Reihe mit Renars Uscins, Philipp Weber und Sebastian Heymann, der wie schon gegen Ungarn stark auftrumpfte und mit drei Toren großen Anteil an der knappen Halbzeit-Führung der DHB-Auswahl hatte.
DHB-Team verzweifelt an Kroatiens Torwart
Nach dem Wechsel wurde der Chancen-Wucher noch schlimmer. Immer wieder scheiterten die deutschen Schützen an Kroatiens Torwart Dominik Kuzmanovic. Zwar zeigte auch der für Wolff gekommene David Späth mit einigen Paraden, dass er im Turnier ist. Doch seine Vorderleute verballerten zu viele Würfe.
Zehn Minuten vor Schluss lag die deutsche Mannschaft mit 19:25 zurück. Das brachte Gislason auf die Palme. «Wer sich nicht konzentrieren kann, muss sich melden und geht raus», schimpfte der Bundestrainer. Besser wurde es jedoch nicht. So gab es am Ende die erste Niederlage im Kölner Handball-Tempel, wo Deutschland zuvor in 14 Länderspielen nie verloren hatte.